Bild: KED

Das Orangen-Projekt

Assan aus dem Senegal, 62 Jahre alt, pflückt eine Orange nahe dem Feld, auf dem er arbeitet. Nachdem er Asyl beantragt hat hat er vier Jahre auf die Antwort der Komission gewartet, die ihm dann eine Ablehnung gab. Nach vielen Einsprüchen und zahn Jahren Leben in Ungewissheit hat er nun endlich ein ofizielles Ausweisdokument. 26.02.2021.© FCEI\Valerio Muscella

Bio-solidarische Orangen ohne Gift und Sklaverei

Über das Projekt

Orangen gehören bei uns zum Winter und zur Adventszeit. Doch hinter dem süßen Geschmack der Frucht verbirgt sich häufig die bittere Realität für jene Menschen, die sie ernten.

Auf den Feldern Kalabriens in Süditalien schuften rund 2.500 Wanderarbeiter als Erntehelfer. Meistens handelt es sich bei den Männern um afrikanische Geflüchtete. Täglich erhalten sie gerade einmal 25 € für diese harte Knochenarbeit. Mit diesem Lohn können weder eine Miete noch menschenwürdige Lebensverhältnisse finanziert werden. Aus diesem Grund hausen viele der Arbeiter bei jeder Witterungslage lediglich in Zelten oder Baracken.

Die Bauern, die diese unfairen Preise zahlen, stehen allerdings selbst unter dem Preisdruck, der von den Abnehmern der Früchte, also multinationalen Großkonzernen und Handelsketten, geschürt wird. Die Unternehmen diktieren Preise, die nicht einmal die Produktionskosten für die Orangen decken. So bezahlen große Handelsketten nur 12 Cent/kg Orangen. Die Produktionskosten liegen aber bei mindestens 20 Cent/kg. Aus diesem Grund ist es für die Bauern eine „Entscheidung zwischen Pest und Cholera“: Entweder lassen sie die Orangen auf den Plantagen verfaulen oder sie beuten Tagelöhner aus, um selbst keine roten Zahlen zu schreiben. Überall in Südeuropa schuften Migranten für Hungerlöhne auf Obst- und Gemüseplantagen. Die moderne Sklaverei ist eine Folge des globalen Wettbewerbs.

Durch die sich zuspitzenden unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen kam es in Rosarno im Jahr 2011 zu Aufständen mit gewaltsamen Ausschreitungen. Aktivisten, Landwirte und Tagelöhner solidarisierten sich miteinander und formierten sich zu einer Allianz, die endlich eine Veränderung zum Besseren herbeiführte: die Gründung des Vereins „SOS Rosarno“. Eine der Zielsetzungen des Vereins ist es, durch faire Preise für die Orangen vor Ort bessere Produktions-, Ernte- und Lebensbedingungen für die Arbeitenden zu schaffen. „SOS Rosarno“ beschäftigt die Wanderarbeiter mit offiziellen Arbeitsverträgen und zahlt ihnen Tariflöhne sowie Sozialleistungen. Gemeinsam mit der Initiative „Mediterranean Hope“ von der Föderation protestantischer Kirchen in Italien (FCEI) werden Hilfsprojekte vor Ort realisiert.

Auch die Evangelische Kirche von Westfalen (EKvW) ist auf diese Missstände aufmerksam geworden und möchte mittels des Projekts „Süß statt bitter“ gemeinsam mit vielen lokalen Partnern auf moderne Sklaverei in Süditalien und ganz Europa hinweisen, um diese Situation zu verändern. Daran beteiligen sich beispielsweise Weltläden, Unverpackt- und Naturkostläden sowie Kirchengemeinden. Auch Sie als Privatpersonen und/oder mit Ihrer Gruppe, Ihrem Verein oder Ihrer Gemeinde können faire Orangen bestellen oder sogar Aktionen zum Thema auf die Beine stellen und mit ihrem Engagement die Situation vor Ort verbessern.

In unseren Download-Ordnern finden Sie verschiedene Dateien, die im Detail beschreiben, wie Sie als Einzelperson oder als Gruppe/Verein/Gemeinde über den KED Orangen bestellen können und auch Aktionen und Bildungsveranstaltungen rund um das Thema durchführen können.

Gerne beraten wir Sie auch individuell bei konkreten Fragen und erarbeiten mit Ihnen Aktionsformate und/oder Bildungsveranstaltungen, die zu Ihrer Gruppe und Ihren Kapazitäten passen, und unterstützen Sie bei der Organisation dieser Veranstaltungen. Im nächsten Abschnitt „Unterstützung durch den KED“ erfahren Sie genau, wie wir Sie im Rahmen unserer finanziellen und personellen Möglichkeiten unterstützen können und Sie zu einem Engagement für eine faire und nachhaltige Zukunft motivieren möchten.

Hier gehts zu den Downloads

Information – Der KED geht auf individuelle Fragen ein und informiert Interessierte über alle wichtigen Punkte rund um die Aktion und das Mitmachen wie: Bestellung, Lagerung, Kosten der Orangen, Hintergründe des Projekts, Relevanz des Projekts etc.

Unterstützung und Beratung – Der KED unterstützt und berät Interessierte. Das bedeutet: Es können in der Interaktion mit uns mögliche Aktionen vorgeschlagen oder entworfen werden. Dabei können uns die Interessierten einen Einblick in die vorliegenden personellen und finanziellen Kapazitäten ihrer Gruppe geben und es können mögliche Bedenken, die ein Mitmachen schwierig gestalten könnten, geäußert werden. Darauf aufbauend kann anschließend die jeweilige Organisation und Durchführung der Aktionen an diese individuellen Strukturen angepasst werden, sodass ein begleiteter und reibungsloser Ablauf mit einem realistischen und sinnvollen Zeitplan sichergestellt werden kann, ohne dass sich dabei jemand übernimmt. Die jeweiligen Bedürfnisse und Kapazitäten der Interessierten/Gruppe/Region werden so berücksichtigt. Durch diese Form der Begleitung kann eine Aktion auch an die jeweilige Zielgruppe angepasst werden, da wir über diverses Bildungsmaterial zur Orangen-Aktion für jegliche Altersgruppen und Kontexte verfügen, welches wir Ihnen auch zum direkten Download auf unserer Seite zur Verfügung stellen.

Netzwerk und Erfahrungsaustausch - Der KED informiert auf dieser Seite und in Artikeln der KED-News über Regionen, in denen Engagierte bereits im Rahmen des Projekts „Süß statt Bitter“ aktiv geworden sind. Durch die Begleitung der Aktionen kann der KED die Erfahrungen der letzten Begleitungen auswerten und mit in die zukünftigen Betreuungen einfließen lassen, indem er Tipps gibt und Empfehlungen ausspricht. Außerdem gibt es bei Bedarf die Möglichkeit, ehemalige und zukünftige Orangen-Freunde miteinander zu verknüpfen, um sich zu vernetzen oder aber über Zoom-Formate Fragerunden stattfinden zu lassen in denen man von vorherigen Teilnehmenden lernen und sich inspirieren lassen kann.

Vermittlung - Der KED kann in der Organisation als Bindeglied fungieren. Konkrete Fragen, z.B. zu der Situation auf den Plantagen, die direkt an SOS Rosarno adressiert sind, können von uns übersetzt und direkt übermittelt werden. Auch bei der Bestellung können wir die Bestellformulare direkt nach Italien übermitteln.

Finanzielle Förderung – Der KED fördert die ökumenische entwicklungsbezogene Arbeit in Kirchengemeinden, Kirchenkreisen und Gruppen im Sinne der Inlandsarbeit des Evangelischen Werkes für Diakonie und Entwicklung. Für Maßnahmen der entwicklungsbezogenen Bildung in Ihrer Kirchengemeinde, Einrichtung oder Gruppe können Sie Zuschüsse bei uns beantragen. Wenn Sie ein Projekt im Rahmen des Orangen-Projekts durchführen möchten, können Sie für einen Teil der anfallenden Kosten diese Förderung bei uns beantragen. Hier finden Sie weitere Informationen und die Antrags-Dokumente zum Download: https://www.ked-niedersachsen.de/02_arbeitsbereiche/02-02_landeskirchlicher-fonds

Engagement honorieren und belohnen – Der KED teilt im Anschluss die Aktionen, die im Rahmen des Orangen-Projekts betreut wurden, über die KED-News-Artikel und die Homepage. Damit wird das Engagement der Kirchengemeinden und Gruppen honoriert, die damit zu Vorbildern für weitere Gemeinden und Gruppen werden. Des Weiteren werden an die Mitmachenden durch den KED Überraschungs-Pakete versendet. Darin befinden sich verschiedene faire und nachhaltige Leckereien und weitere Dinge, über die sich die Aktiven freuen dürfen.

Aktionsbeispiele aus der Region

An das westfälische Projekt „Süß statt Bitter“ anknüpfend haben Rebecca Neumann und Luisa Kroll vom KED im Jahr 2022 Engagierte gesucht, die mit ihrer Gruppe oder Region an dem Orangen-Projekt teilnehmen möchten, um durch solidarisches Handeln die Zustände auf den Feldern Süditaliens nachhaltig zu verbessern. Die Planungs- und Informationsarbeit für dieses Projekt lief seit April 2022 und wir waren sehr froh, im Sommer bereits zwei Regionen in Niedersachsen für eine Teilnahme begeistert zu haben.

... die Weltgruppe Stade mit Diakonin Susanne Decker-Michalek und Marina Vollmann. Neben dem Verkauf der Orangen, z.B. auf Weihnachtsmärkten, in Weltläden und anderen regionalen Geschäften, gab es auch eine Verteil-Aktion der Orangen aus dem Bollerwagen in der Fußgängerzone in Stade. Natürlich wurde bei diesen Aktionen auch Bildungsmaterial verteilt und im Gespräch mit den Passanten für die Situation auf den Plantagen Rosarnos sensibilisiert. Auch etliche Privatpersonen haben über die Weltgruppe Stade Orangen bestellt: „Die Orangen-Aktion 2022 ist beendet – Ihr seid großartig – eine Tonne Orangen wurde vorbestellt und die Lieferung erfolgt in der letzten November-Woche 2022“, war auf der Homepage der Weltgruppe zu lesen. Die Frauen haben es sich außerdem zum Anliegen gemacht, mit den Orangen auch auf die „Orange Days“ hinzuweisen, die ab dem 25. November begannen. Thematisch passen die Aktionen sehr gut zusammen: So wie es bei „Süß statt bitter“ um Menschenrechtsverletzungen auf Plantagen geht, soll bei den „Orange Days“ ein Zeichen gegen Gewalt gegen Frauen und Mädchen gesetzt werden, die weltweit zu den häufigsten Menschenrechtsverletzungen gehört. Thematisch also ein absolutes „Match“!

Quelle: Karsten Perkuhn

... hat auch die Fairtrade-Region Wittlager Land (Bad Essen, Bohmte und Ostercappeln) gemeinsam mit den lokalen Steuerungsgruppen den Beschluss getroffen, das Projekt „Süß statt bitter“ durch die Abnahme von zwei Paletten Orangen (112 Kisten á 10kg) zu unterstützen. Diverse regionale Geschäfte unterstützten die Aktion, beispielsweise Edeka Lampe in Lintorf, wo es auch einen Informationsstand zu den Orangen mit einer Verkostungsaktion gab. Integrierte ländliche Entwicklung (ILE) steht für die Region Wittlager Land als ILE-Region generell im Fokus. Durch Karsten Perkuhn, den Regionalmanager dieser Region, mit dem der KED hierzu auch in engem Austausch stand, kam es zu der Idee, die Orangen-Thematik im großen Rahmen auch an die Jüngsten im Wittlager Land heranzutragen. Am 06.12.2022 gab es in der gesamten Region eine Nikolaus-Aktion: Am Nikolaustag brachten Ehrenamtliche die Orangen in alle Kindergärten der Region, sodass jedes Kind sich über eine bio-solidarische Orange im Stiefel freuen durfte. Einige Kindergärten nutzen auch das vom KED zur Verfügung gestellte Bildungsmaterial extra für Kitas, mit Hilfe dessen auf spielerische Weise die Thematik des Orangen-Erntens an die Kinder herangetragen wurde. Auch für die Eltern gab es beigelegte Flyer zur Aktion.

Übersetzung: SOS Rosarno - Presst die Orangen aus, NICHT die Arbeiter.

kontakt

Rebecca Neumann

Bio und Fair?

Handelt es sich bei den Orangen aus Kalabrien („Süß statt Bitter“) um Bio-Orangen, die fair gehandelt sind?

Es ist so, dass alle Orangen von SOS Rosarno ökologisch angebaut sind. Aber nicht alle sind bio-zertifiziert, besonders nicht die Orangen von Kleinbauern (die Zertifizierung ist zu teuer). SOS Rosarno hat ein Interesse daran, dass auch die nicht-zertifizierten Orangen Absatz finden. Dann dürfen diese aber nicht als Bio-Orangen verkauft werden und sie haben auch kein Zertifikat. Sondern es sind, Orangen, produziert ohne Pestizide und künstlichen Dünger“.

Aus dem Grund, dass die Zertifizierungskosten besonders für Kleinbauern zu teuer sind, gibt es auch kein Siegel, welches den fairen Handel der Orangen, also die gerechte Bezahlung der Orangen-Pflücker, kennzeichnet. Nichtsdestotrotz ist es genau die faire Bezahlung der Produzenten, die diese Orangen von anderen unterscheidet, auch wenn es kein Siegel gibt, welches dieses signalisiert.