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Nachhaltigkeit

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Sustainable Development Goals (SDGs)

Video-Botschaft zu SDG Nr. 17:

Partnerschaften zur Erreichung der Ziele

In einem Kurzvideo erklärt KED-Referent Andreas Kurschat anhand zweier Beispiele, welche Rolle Partnerschaften in der Arbeit des KED spielen, um die Erreichung der Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zu unterstützen:

 

Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen

Die siebzehn farbigen Piktogramme stehen für ein weltweites Programm, das die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen beschlossen haben. Bis zum Jahr 2030 sollen die Ziele erreicht werden. Jeder unterzeichnende Staat hat dafür eigene Unterziele aufgestellt und Indikatoren formuliert, mit denen das Fortschreiten dokumentiert wird. Die Staaten berichten an die Vereinten Nationen über die Ergebnisse der Umsetzung. Ein breites Netzwerk von zivilgesellschaftlichen Akteuren engagiert sich ebenfalls im Rahmen der Umsetzung.

Die siebzehn Ziele bilden die Agenda 2030, deren Umsetzung den Spagat schaffen will, einerseits soziale Grundlagen zu sichern bzw. zu schaffen und gleichzeitig die planetarischen Grenzen zu wahren. Diese globale Perspektive führt dazu, dass manche Länder ihren Kohlenstoffdioxid Ausstoß stark verringern müssen, während andere Zuwächse haben dürfen.

Ganz unabhängig von diesem globalen politischen Blick gibt die Agenda 2030 uns allen vor, was die Fridays for Future im letzten Jahr sichtbar und deutlich artikuliert haben: die planetarischen Grenzen sind erreicht, der Klimawandel wird für viele Länder massiv spürbar. Ein Wandel zu weniger Verbrauch bei gleichzeitig qualitativ guten Standards – dahin muss sich der Konsum von Produkten bewegen. Die Agenda 2030 benennt dies in Ziel 12: Verantwortungsvoller Konsum.

Dafür müssen die Menschen bereit sein, weniger und mit bewussten Entscheidungen zu kaufen. Die Produkte können dann auch teurer sein, wenn sie nachhaltig hergestellt wurden. Dafür müssen ökologische, soziale und auch internationale Aspekte berücksichtigt werden. Der tägliche Kaffeegenuss muss auch die Existenzsicherung der Kleinbauern ermöglichen, der soziale Gedanke darf nicht an unserem Kaffeebecher aufhören.

Diese Einstellung im Bereich von Produktion und Konsum von Gütern voran zu bringen, daran arbeitet der Kirchliche Entwicklungsdienst (KED). Das Verantwortungsbewusstsein von Studierenden und kirchlich engagierten Erwachsenen mit Bildungsangeboten zu fördern und die praktische Umsetzung zu beraten und zu begleiten, das ist unser Anliegen.

Die neuen umfassenden 17 Entwicklungsziele, mit denen eine menschlichere Entwicklung bis zum Jahr 2030 erreicht werden soll, haben anspruchsvolle Inhalte:

1. Armut in jeder Form und überall beenden

2. Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern

3. Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern

4. Inklusive, gerechte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten des lebenslangen Lernens für alle fördern

5. Geschlechtergerechtigkeit und Selbstbestimmung für alle Frauen und Mädchen erreichen

6. Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleiten

7. Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und zeitgemäßer Energie für alle sichern

8. Dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern

9. Eine belastbare Infrastruktur aufbauen, inklusive und nachhaltige Industrialisierung fördern und Innovationen unterstützen

10. Ungleichheit innerhalb und zwischen Staaten verringern

11. Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig machen

12. Für nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sorgen

13. Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen treffen

14. Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung erhalten und nachhaltig nutzen

15. Landökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern, Wälder nachhaltig bewirtschaften, Wüstenbildung bekämpfen, Bodenverschlechterung stoppen und umkehren, Biodiversitätsverlust stoppen

16. Friedliche und inklusive Gesellschaften im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz ermöglichen und effektive, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen

17. Umsetzungsmittel stärken und die globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung wiederbeleben

Aber nicht allein die Latte für den inhaltlichen Anspruch liegt hoch. Die Konkretion soll mit 169 Unterzielen sowie einem Überprüfungs- und Indikatorensystem erreicht werden, damit messbare Ergebnisse dabei heraus kommen können.

Viel zu aufgebläht, zu viele Worte und Papiere sagen die einen. Eine große Herausforderung mit vielen Chancen zur Gestaltung sagen die anderen.

Klaus Milke, Vorstandsvorsitzender von Germanwatch und der Stiftung Zukunftsfähigkeit lobt in seinem Gastbeitrag in der Zeitonline vom 25.09.2015 die neuen Entwicklungsziele als Verhandlungserfolg der Staatengemeinschaft. Die Nichtregierungsorganisationen seien dabei miteinbezogen gewesen und könnten mit dem Ergebnis recht zufrieden sein.

Er sieht im Hinblick auf die Umsetzung in den Ländern so also bei uns noch sehr viel Arbeit auf uns zukommen. Die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie muss im Hinblick auf einen nachhaltigen Ressourcenverbrauch deutlich verbessert werden. Wichtig bleibt dafür Bildungsarbeit, um neben der Information auch die notwendige Akzeptanz für Veränderungen im Konsum zu erreichen.

Ganz ähnlich äußert sich unser Entwicklungsminister, Dr. Gerd Müller. Er sieht die neuen Entwicklungsziele ebenfalls als gute Möglichkeit, global gesehen menschliche Entwicklung voranzubringen. Bei der Umsetzung steht uns noch etwas bevor: „Auch Deutschland ist ein Entwicklungsland“ sagt er im Zeitonline Interview vom 23.09.2015. Denn bei der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie müsse in einigen Punkten ehrgeizig nachgebessert werden. Er verweist in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit der Schaffung nachhaltiger Verkehrskonzepte in den Ballungsräumen, mehr elektronische Mobilität, bessere Bedingungen für Radfahrer. Im Hinblick auf die gesamte Wirtschaft bei uns spricht er von einem Umdenken zu weniger Konsum und einem neuen Wachstumsbegriff.

Er selber will mit seinem Ministerium praktisch beginnen: Fairer Handel und Recyclingmöbel im Ministerium sind Beispiele dafür.

Global will er im Hinblick auf Produktion und Handel erreichen, dass die Wertschöpfungsketten gerechter gestaltet werden. Er zählt auf, was bei den Erzeugern in den Entwicklungsländern an Einkommen bleiben könnte, wenn die Produkte bei uns etwas teurer verkauft würden: „Wäre die Tafel Schokolade nur einen Cent teurer, hätte Westafrika davon etwa 120 Millionen Euro mehr Einkünfte im Jahr. Der Minister wirbt offensiv für Fairen Handel.

Die multinationalen Konzerne sollten gerade im Bereich der Rohstoffförderung anders agieren als bisher. Er müssten mehr Einnahmen aus der Produktion in den Entwicklungsländern verbleiben. „Wer in Nigeria Öl abpumpt, muss dort auch Steuern zahlen!“

Klare Worte eines Entwicklungsministers. Wie gut, dass die Einschätzung von einem NGO-Vertreter und von Regierungsseite hier so nah bei einander liegen.

Diese Agenda für nachhaltige Entwicklung wurde im September 2015 auf der Generalversammlung der Vereinten Nationen nach einem ambitionierten und durchaus auch Kräfte zehrenden Abstimmungsprozess beschlossen. Die Regierenden der unterzeichnenden Länder verpflichten sich, bis 2030 die siebzehn Ziele nachhaltiger Entwicklung zu erreichen. Von Armutsbekämpfung über Bildung, Geschlechtergleichstellung, Energie, Wirtschaftswachstum, Stadtentwicklung, Verringerung von Ungleichheit innerhalb und zwischen Staaten, Frieden bis hin zu allen Bereichen des Umweltschutzes – es sind alle wichtigen Themen des Lebens und Überlebens in globaler Perspektive dabei.  Letztere wird damit gleichsam zum Leitprinzip für alle Politikbereiche.

Es stehen nicht nur die Ziele auf dem Papier sondern es wurden auch Unterziele und Indikatoren benannt, an denen sich die Umsetzung ablesen lässt.

Die Agenda 2030 kann als ein wichtiger innovativer Schritt bewertet werden. Denn es wird nicht nur eine umfassende globale Transformation als dringend notwendig formuliert. Es wird zugleich menschliche Wohlfahrt sowie die Begrenzung der planetarischen Ressourcen mitbedacht. Die soziale, ökologische und ökonomische Dimension von Nachhaltigkeit werden nicht gegen einander gedacht sondern es handelt sich um einen integrierten Ansatz.

Das Abkommen lädt zu einer umfassenden globalen Beteiligung ein – Regierungen, die Zivilgesellschaft wie auch der Privatsektor sind aufgefordert, an der Umsetzung der Ziele mitzuwirken.

Um den Umsetzungsprozess zu begleiten und das Erreichen der Zielsetzungen zu überprüfen, wurde ein hochrangiges politisches Gremium auf UN Ebene eingerichtet, in dem alle Staaten vertreten sind. Es geht dabei mehr um eine freiwillige Beteiligung, die auf Austausch und Lernprozesse setzt.  Seit 2017 haben 43 Staaten über ihre nationalen Programme berichtet.

Einzelne Ziele können durchaus miteinander in Konflikt geraten wie zum Beispiel  die Bekämpfung des Klimawandels und andererseits der Zugang zu Energie für alle Länder. Dieser Konflikt kann entschärft werden, indem der Ausbau der Energieversorgung in armen Ländern mit erneuerbaren statt mit fossilen Energieträgern voran gebracht wird.

Das Erreichen (oder Erhalten)menschlicher Wohlfahrt bei einer gleichzeitigen Wahrung der planetarischen Grenzen – darin liegt die zentrale Herausforderung.

Pariser Klimaschutzabkommen

Es handelt sich um ein völkerrechtlich verbindliches Vertragswerk, das von  196 Staaten beschlossen wurde. Ziel ist es,  den Klimawandel an sich zu begrenzen und seine negativen Folgen abzumildern. Die Erderwärmung soll mithilfe des Abkommens und der damit angeregten Prozesse deutlich unter zwei Grad Celsius (im Verhältnis zur vorindustriellen Zeit) gehalten werden.

Das Pariser Protokoll soll 2021 an die Stelle des 2020 ausgelaufenen Kyoto-Protokolls von 1997 treten.

Der Pariser Klimavertrag konnte Ende November (knapp ein Jahr nach dem Beschluss) in Kraft treten, als 55 Staaten (die für mindestens 55 Prozent der globalen Treibhausgase verantwortlich sind) den Vertrag unterzeichnet hatten. Dazu gehören u.a. China und die USA als diejenigen Länder mit dem höchsten Kohlendioxid- Ausstoß.  

Mit der Unterzeichnung des Vertrags legen sich die Staaten nationale Programme auf, in denen sie sich verpflichten, die CO2-Emissionen zu senken. Sie entscheiden selbst, wie hoch die Absenkung ausfallen soll.

Die hinter dem Vertrag liegende konzeptionelle Idee setzt auf Freiwilligkeit und respektiert damit die Souveränität der Staaten. Die Staaten berichten über ihre laufende Umsetzung der Reduktion. Alle fünf Jahre werden ggf. schärfere Ziele formuliert. Dabei werden die parallel laufenden wissenschaftlichen Forschungen und Berichte aus dem Weltklimarat (www.de-ipcc.de) miteinbezogen.

Um das Ziel der Absenkung zu erreichen, werden erhebliche nationale Anstrengungen unternommen werden müssen vor allem im Hinblick die Bereiche von Produktion und Konsum, die das Klima schädigen. In Deutschland sind dies vor allem der Bereich der Massentierhaltung, des Autoverkehrs sowie  die Energiegewinnung aus Stein- und Braunkohle.

Im Bereich der Umsetzung kommt es zu einer sinnvollen Überschneidung der Agenda 2030 (Umsetzung der SDGs) mit dem Pariser Klimaschutzabkommen: die deutsche   Nachhaltigkeitsstrategie arbeitet weitgehend die siebzehn SDGs ab und liefert damit gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung des Pariser Abkommens.

Die Entwicklungsländer werden durch Übergangszeiten bei den Reduktionszielen sowie mit Unterstützungsprogrammen zur Verminderung der negativen Auswirkung des Klimawandels und mit der Förderung nachhaltiger Technologien durch die EU und die Industrieländer gesondert unterstützt.   

Klimakollekte

Bild: Pixabay.com

Der Kirchliche Kompensationsfonds bietet Anregungen für Gottesdienste zu den Themen Klimagerechtigkeit, Klimawandel und CO2-Kompensationen.

Die Klimakollekte bietet die Möglichkeit al einen Teil von Klimaschutz besser kennenzulernen und es vor Ort einzusetzten. Gemeinden und Organisationen, die sich umweltpolitisch engagieren, kann das Angebot der Klima. Kollekte als Bereicherung ihrer Aktivitäten dienen.

Nach dem Vermeiden und Reduzieren von Emissionen bietet der Ausgleich die dritte Möglichkeit zum Klimaschutz. Die durch die Ausgleichsbeträge finanzierten Projekte werden durch kirchliche Organisationen und ihre Partner in Entwicklungsländern und Osteuropa durchgeführt und von Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung und Misereor begleitet. Die Umnsetzung der Projekte erfolgt dabei nach dem Gold Standard. Dieser gewährleistet, dass nicht nur ein Beutrag zur Emmissionseinsparung sondern auch zu einer nachhaltigen Entwicklung geleistet wird.

Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie

Zur letzten Konferenz der Dialogreihe kamen am 11. Februar etwa 180 Akteure in die Behörde für Umwelt und Energie nach Hamburg. Sie diskutierten über die Weiterentwicklung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie und brachten dazu ihre Sichtweisen und Ideen ein.

"Die neuen UN-Nachhaltigkeitsziele machen uns alle zu Entwicklungsländern", betonte Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan in seinem Grußwort. Für die Umsetzung der Ziele sei eine gute Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen gefragt. Dafür biete die Agenda 2030 einen guten Ordnungs- und Orientierungsrahmen.

Nachhaltige Stadtentwicklung in Hamburg
Am Beispiel des Tagungsortes in Hamburg-Wilhelmsburg machte er deutlich, wie nachhaltige Stadtentwicklung gestaltet werden kann. So sei diese größte Flussinsel Deutschlands ursprünglich ein Ort von Hafenschlick und Mülldeponien gewesen.

Die gezielte Verpflanzung des Behördenkomplexes für Umwelt und Stadtentwicklung sei dann der Startschuss für weitere Entwicklungen gewesen. So sei ein Stadtteilpark gegenüber der Behörde entstanden und die internationale Gartenschau und internationale Bauausstellung zum nachhaltigen Bauen in Wilhelmsburg hätten das Erscheinungsbild des Stadtteils nun nachhaltig geprägt.  

Kurskorrektur erforderlich
Auch die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter hob die wichtige Rolle der staatlichen Institutionen als Vorbild in Sachen Nachhaltigkeit hervor. Sie betonte, dass eine Kurskorrektur dringend erforderlich sei und der Lebensstil sich ändern müsse, damit "kommende Generationen den gleichen Wohlstand genießen können wie wir".

Für die Umsetzung der Agenda 2030 benannte sie drei Ebenen: Die Umsetzung der UN-Ziele auf nationaler Ebene innerhalb Deutschlands, Maßnahmen zur Verhaltensänderung des Einzelnen, Reduktion von Treibhausgasen und eine Unterstützung der Partnerländer bei der Umsetzung der Ziele durch Kompetenzaufbau und Technologietransfer.

Die Arbeitsschwerpunkte des Umweltministeriums dazu seien der Klimaschutz und der Erhalt der Biodiversität. Das Ministerium fördere auch die nachhaltige Stadtentwicklung sowie nachhaltige Produktionsweisen, Lebensstile und Mobilität.

In der folgenden Podiumsdiskussion schilderten Vertreterinnen und Vertreter der nördlichen Bundesländer ihre Herangehensweise an die Umsetzung der UN-Agenda.

Nachhaltigkeit als Chefsache
Für Schleswig-Holstein beschrieb die dortige Umweltstaatssekretärin Silke Schneider den Küsten- und Meeresschutz als ein vorrangiges Thema. Noch im Februar 2016 werde Schleswig-Holstein voraussichtlich seine neue Nachhaltigkeitsstrategie im Kabinett verabschieden, die auf den UN-Zielen basiere. "Neu ist nun, dass die Nachhaltigkeit Chefsache ist", sagte sie. Die Federführung liege zukünftig bei der Staatskanzlei.

Die Bremer Staatsrätin und Bevollmächtigte für Entwicklungszusammenarbeit, Ulrike Hiller, schilderte, dass der Stadtstaat gute Erfahrungen mache mit Arbeitskreisen ressortintern und in der Zivilgesellschaft, die Maßnahmen zur Nachhaltigkeit entwickelten. So verließe man schnell die abstrakte konzeptionelle Ebene und könne konkret handeln.

Länderstrategien in Arbeit
Für Niedersachsen berichtete Christian Jacobs aus dem dortigen Umweltministerium, dass hier die Erarbeitung einer neuen Landesstrategie mit Verabschiedung der UN-Ziele begonnen habe und diese nun in die Erarbeitung der neuen Indikatoren einfließen würden.

"Hamburg hat bislang keine Nachhaltigkeitsstrategie", erläuterte Senator Kerstan. Es sei jedoch der Plan, die Projekte fortzuführen, die für das Nachhaltigkeitskonzept Olympia erarbeitet worden seien.

Zielkonflikte offenlegen
In der anschließenden Diskussion im Plenum stand der Umgang mit Zielkonflikten im Mittelpunkt. Einig war man sich darüber, dass diese offen gelegt werden müssten und eine gezielte Auseinandersetzung anzustreben sei. Staatssekretärin Schneider sagte, Schleswig-Holstein habe gute Erfahrungen damit gemacht, mit den Betroffenen vor Ort direkt ins Gespräch zu kommen, beispielsweise für die Planung von Windkraftanlagen.

Senator Kerstan ergänzte am Beispiel der Grünflächennutzung für Flüchtlingsunterkünfte in Hamburg, dass das Prinzip des Ausgleichs ein größeres Gewicht erhalten solle. Wenn ein anderes Interesse der Nachhaltigkeit vorgezogen würde, solle an anderer Stelle ein Ausgleich geschaffen werden.

"Wo liegt mein Geld?" – Nachhaltiges Wirtschaften wichtig
Mit einem Zwischenruf erläuterte Professor Alexander Bassen als Mitglied des Rats für Nachhaltige Entwicklung anschließend die Haltung des Gremiums. Auch er schloss sich der Meinung an, dass Zielkonflikte zu benennen und auszuhalten seien. Er betonte, dem nachhaltigen Wirtschaften käme eine besondere Bedeutung zu.

Hier müssten Ziele und Indikatoren sorgfältiger aufeinander abgestimmt werden. So passe beispielsweise das absolute Ziel der CO2-Reduktion in der Strategie nicht mit der relativen Messung in den Unternehmen zusammen. Das nachhaltige Verhalten des Einzelnen spiegele sich leider auch nicht bei der Geldanlage. Die Frage "Wo liegt eigentlich mein Geld?" müsste eine größere Rolle spielen.

Neben den Forderungen Nachhaltigkeit als Prinzip im Grundgesetz zu verankern und Forschung und Bildung nachhaltiger auszurichten, ging es ihm auch noch einmal um die Nachhaltigkeit vor Ort: eine stärkere Verknüpfung von Bund und Land sei eine zentrale Forderung des Rates. Sie diene auch dazu, all die existierenden guten Ansätze und Projekte transparent zu machen und zu bündeln, die bislang zu wenig wahrgenommen würden.   

Auf dem zweiten Podium traf sich Politik mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Moderatorin Andrea Thilo eröffnete es mit der Frage, was für die Anwesenden in der Nachhaltigkeit die Kernfrage sei.

Emissionshandel weltweit stärken
"Der Klimaschutz ist das Hauptthema", antwortete Schwarzelühr-Sutter spontan. Das Emissionshandelssystem müsse weltweit gestärkt werden. Es sei auch die Frage zu klären, wie ein Strukturwandel zur Dekarbonisierung, also dem Verzicht auf fossile Brennstoffe, zu gestalten sei.

Bundestagsabgeordneter Dr. Andreas Lenz vom Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung sagte, wichtig sei die Frage "Wie können wir die Herzen der Menschen erreichen?".

Der Verantwortliche für die Corporate Responsibility der Otto Group, Dr. Johannes Merck, fragte "Wie können wir als Unternehmen die Spielräume erweitern?" Denn das Problem sei, dass unser Wirtschaftssystem Nachhaltigkeit am Markt nicht belohne, sondern bestrafe. Als wesentliche politische Rahmenbedingung beschrieb er ein funktionierendes Emissionshandelssystem.

Globalen Handel fairer gestalten
"Leave no one behind", sei der zentrale Schlüsselsatz, sagte Klaus Milke, Vorstand von Germanwatch. Alle müssten sich ändern und die Kooperation dabei auf allen Ebenen sei wichtig, denn die Mehrheit lebe nicht mit unserem Standard und Exklusion müsse vermieden werden. Dabei sei Deutschland oft auch kein Vorreiter, etwa bei Rüstungsexporten oder wenn es um TTIP gehe. Es müsse gewürdigt werden, dass die stärkste Allianz für die Agenda 2030 eine Allianz der ärmsten Länder gewesen sei.

Bildung für nachhaltige Entwicklung verankern
Professorin Ute Stoltenberg forderte Bildung für nachhaltige Entwicklung anders zu begreifen. Es genüge nicht, einzelne Themen wie Energie oder Klimaschutz ins Curriculum aufzunehmen. Es ginge vielmehr darum, neue Sichtweisen zu entwickeln und junge Leute zu kreativen, innovativen und alternativ denkenden Menschen zu erziehen. Bildung für nachhaltige Entwicklung gebe es seit 20 Jahren, die Konzepte lägen vor und müssten in allen Bildungsfragen berücksichtigt und nicht getrennt behandelt werden.

Agrarpolitik überdenken
Professor Michael Succow, der gerade von einer Afrika-Reise zurückgekehrt war, vertrat die Ansicht: "Ohne Spiritualität und echte Religiosität schaffen wir das nicht." Deutschland habe einen hohen Stellenwert im Denken über Nachhaltigkeit auch weltweit, das werde auch an der Einrichtung von Naturschutzreservaten im südlichen Afrika deutlich. Für Deutschland selber sieht er als kritisches Thema die Agrarwirtschaft mit ihren großen Betrieben und hohen Subventionen.

"Systemfrage" im Zentrum
Die Diskussion mit dem Plenum im Anschluss beschäftigte sich schwerpunktmäßig mit der "Systemfrage", also der Frage, wie das Wirtschaftssystem so umgestaltet werden kann, dass es nachhaltiges Handeln fördert, der nachhaltigen öffentlichen Auftragsvergabe und dem Thema Nachhaltigkeit bei TTIP.

Nachmittags diskutierten die Teilnehmenden in Workshops Schwerpunkte der Nachhaltigkeitsstrategie. Die Ergebnisse können Sie in wenigen Tagen unter www.nationale-nachhaltigkeitsstrategie.de nachlesen. Dort können Sie die einzelnen Diskussionen auch auf dem Mitschnitt noch einmal anhören.

Die Hamburger Konferenz bildet den Abschluss der Dialogreihe
Stellungnahmen zum Thema nimmt die Bundesregierung auch weiterhin entgegen unter nachhaltigkeitsdialog@bpa.bund.de. Sie werden an das thematisch zuständige Ressort weitergeleitet. Sobald der Entwurf der neuen Nachhaltigkeitsstrategie vorliegt, bekommen alle Teilnehmenden einen entsprechenden Link zugesandt und können dazu Stellung nehmen.

Freitag, 12. Februar 2016

Indikator 10 | Bild: Destatis

Indikator 10: Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit

Die nationale Nachhaltigkeitsstrategie gibt in der Rubrik Lebensqualität mit dem Indikator Nummer 10 Auskunft über das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner. Was dieser Indikator besagt und wie wichtig er für Konjunktur und Wachstum einer Volkswirtschaft ist, erklärt das Statistische Bundesamt.

Unsere Fragen zum Indikator beantwortet Helmut Mayer, Referatsleiter im Statistischen Bundesamt:

Was sagt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) für eine Volkswirtschaft aus? Ist es eine Messgröße für den erreichten Wohlstand?
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist Ausdruck der gesamten im Inland entstandenen Wirtschaftsleistung einer Berichtsperiode. Das BIPmisst die bei der Produktion von Waren und Dienstleistungen entstandenen Einkommen im Inland. Dabei werden ausschließlich marktgängige und staatliche Waren und Dienstleistungen betrachtet. Das BIP wird nach weltweit harmonisierten Regeln ermittelt und als wichtiger Indikator für Konjunktur und Wachstum einer Volkswirtschaft betrachtet.

Das BIP und andere Standardgrößen des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG) bilden einen wichtigen Teil des wirtschaftlichen Wohlstands ab, nämlich die überwiegend am Markt erwirtschafteten Einkommen und ihre Verwendung. Allerdings ist das BIP nicht zur umfassenden Messung des wirtschaftlichen Wohlstands bestimmt. Dazu bedarf es weiterer Berechnungen, wie zum Beispiel zur unentgeltlichen Haushaltsarbeit, die bei der Berechnung des BIP unberücksichtigt bleibt. Auch die Verteilung von Einkommen (und Vermögen) wird vom BIP nicht abgebildet.

So kann eine Zunahme des BIP sich ganz unterschiedlich auf die verschiedenen Haushalte verteilen. Auch ist das BIP eine reine, in der Regel auf den Zeitraum eines Jahres bezogene Stromgröße. Die Veränderung von Bestandsgrößen wird nicht erfasst – mit Ausnahme beim Produktivkapital durch die Erfassung von Investitionen und Abschreibungen. Wirtschaftliche zentrale Größen wie Bestände und Qualitäten des Humankapitals (etwa Bildung, Gesundheit),  des Sozialkapitals (etwa Sicherheit, Integration) und des Naturkapitals (etwa Ressourcen, Ökosysteme) bleiben ausgeblendet und Aussagen, ob das BIP und sein Wachstum zur Kapitalerhaltung gedient haben, sind damit unmöglich. Damit kann das BIP keine Aussagen zur Nachhaltigkeit des durch ihn abgebildeten wirtschaftlichen Wachstums machen.

Bei einer Wohlfahrtsmessung wären aber neben der Erfassung des wirtschaftlichen Wohlstands auch die Schäden an der natürlichen Umwelt zu berücksichtigen, die durch die wirtschaftlichen Tätigkeiten verursacht werden. Solche Schäden können sich (beispielsweise bei hoher Feinstaubbelastung der Luft oder verschmutztem Wasser) unmittelbar auf die Gesundheit der Menschen auswirken. Darüber hinaus gibt es auch negative wirtschaftliche Effekte, etwa wenn Menschen durch den Klimawandel ihre Lebensgrundlage verlieren. Die internationalen Organisationen empfehlen, diese Aspekte in zusätzlichen Berechnungen – in sogenannten Satellitensystemen, wie den Umweltökonomischen Gesamtrechnungen (UGR) – zu thematisieren.

In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden, dass viele ökologische und soziale Aspekte von Wohlfahrt nicht allein durch monetäre Indikatoren erfasst werden können. Um ökologische und soziale Entwicklungen trotzdem sichtbar zu machen, können zusätzliche Indikatoren bereitgestellt werden, die weitere Aspekte von Wohlfahrt abdecken. Daher sind in der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung unter dem übergreifenden Thema „Lebensqualität“ neben dem BIP-Indikator fünf weitere Indikatoren zu den Bereichen "Mobilität", "Landbewirtschaftung", "Luftbelastung", "Gesundheit und Ernährung" und "Kriminalität" enthalten.

Was besagt die Forderung nach Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Umweltbelastung?
Damit wird beabsichtigt, wirtschaftliches Wachstum mit einem geringeren Einsatz natürlicher Ressourcen und einem geringeren Ausstoß von Schadstoffen (Luftemissionen, Abwässer) zu erzielen. Man unterscheidet eine "absolute" und eine "relative" Entkopplung. Bei einer relativen Entkopplung steigt der Ressourcenverbrauch bei wirtschaftlichem Wachstum prozentual weniger stark an als das BIP--Bruttoinlandsprodukt. Bei einer absoluten Entkopplung sinkt der Ressourceneinsatz – bei wirtschaftlichem Wachstum – sogar in absoluten Größen.

Wie wirken sich Veränderungen der Wirtschaftsstruktur auf das BIP aus?
Einen eindeutigen Wirkungsmechanismus zwischen Wirtschaftsstruktur und BIP gibt es nicht. Das BIP wird von konjunkturellen Faktoren, wie der Nachfrage nach Gütern und der Veränderung von Löhnen und Preisen, und von strukturellen Faktoren wie der Wettbewerbsfähigkeit von Industrien und Dienstleistungsbranchen beeinflusst. Bestimmte Faktoren, wie die Innovationsfähigkeit und eine verbesserte internationale Konkurrenzfähigkeit von Industrien, stärken das Wirtschaftswachstum.

Eine Sättigung von Märkten und eine zunehmende Konkurrenz durch ausländische Wettbewerber können dagegen zu Stagnation und einem Rückgang von Industrien führen. Daher sind in offenen Volkswirtschaften ständig Veränderungen der Wirtschaftsstruktur zu beobachten. In stark exportorientierten Volkswirtschaften, wie der deutschen, erfolgt Wertschöpfung in hohem Maße durch exportorientierte Industrien und Dienstleistungsbranchen, die eng mit diesen verflochten sind. Deren Wachstum kompensiert dann die Arbeitsplatzverluste und damit Einkommensrückgänge in stagnierenden oder schrumpfenden Wirtschaftsbereichen.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen BIP und Armut bzw. Armutsgefährdung?
Monetäre Armut orientiert sich in der europäischen Sozialberichterstattung an einer relativen Definition von Armut. Danach gilt eine Person als armutsgefährdet, wenn ihr Nettoäquivalenzeinkommen weniger als 60 Prozent des nationalen Medianeinkommens beträgt. Bei dieser Definition von Armutsgefährdung hängt deren Höhe nicht von der absoluten Höhe des BIP ab, sondern allein von der Verteilung der Einkommen nach Haushalten. Armutsgefährdung kann danach sowohl in Volkswirtschaften mit einem sehr hohen Durchschnittseinkommen (BIP pro Kopf) als auch in Volkswirtschaften mit einem sehr niedrigen BIP pro Kopf – im selben Maße – vorkommen. Das Medianeinkommen bezeichnet dabei die Einkommenshöhe, bei der gleich viele Personen höhere beziehungsweise niedrigere Einkommen aufweisen.

Im Jahr 2014 galten Alleinlebende als von monetärer Armut bedroht, wenn sie weniger als 987 Euro im Monat zur Verfügung hatten (Armutsgefährdungsgrenze). Bei Haushalten mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren lag die Armutsgefährdungsgrenze bei 2072 Euro monatlich. Danach waren 16,7 Prozent der Bevölkerung in Deutschland im Jahr 2014 von Armutsgefährdung bedroht. Wie schon bei der Antwort zu Frage 1 erläutert, bildet das BIP nicht die Verteilung von Einkommen (und Vermögen) ab, sondern misst die überwiegend am Markt erwirtschafteten Einkommen und ihre Verwendung. Veränderungen beim BIP erlauben deshalb auch keine direkten Aussagen über die Auswirkungen auf die Einkommensverteilung oder auf das Ausmaß der Armutsgefährdung in einer Gesellschaft.

Worauf sind Schwankungen des BIP zurückzuführen?
Konjunkturelle Schwankungen des BIP, d. h. Schwankungen in der Auslastung der Produktionskapazitäten in einem Zeitraum von etwa drei bis sechs Jahren, sind auf Änderungen der Nachfrage und damit verbundene Produktionsschwankungen zurückzuführen. Zu unterscheiden sind Änderungen der Binnennachfrage und Änderungen der Nachfrage aus dem Ausland.

Bei der Binnennachfrage können Schwankungen bei allen Endnachfragekategorien – dem Privaten Konsum, dem Staatskonsum und den Investitionen – auftreten. Der Private Konsum wird vor allem von der Entwicklung der Löhne und Gehälter und – zu einem begrenzten Teil – auch von der Spar- oder Konsumneigung der Haushalte beeinflusst. Daneben bestimmt auch die Veränderung der Preise die "reale" Nachfrage der Haushalte. Für die auf der Produktion basierende Entwicklung des preisbereinigten BIP ist dabei die "reale" Nachfrage, d. h. die um die Preisentwicklung bereinigte Größe, entscheidend.

Der Staat kann über seine Nachfrage ebenfalls die Konjunktur beeinflussen. In Zeiten eines wirtschaftlichen Abschwungs (Rezession) kann er beispielsweise durch eine Verstetigung seiner Ausgaben zu einer Dämpfung des Abschwungs beitragen. Die Investitionen – Bau- und Ausrüstungsinvestitionen – werden durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Von großer Bedeutung ist die zu erwartende Rendite auf das investierte Kapital. Diese wird entscheidend von den Erwartungen über die zukünftige Geschäftsentwicklung und die Auslastung der Produktionskapazitäten bestimmt. Ist die erwartete Rendite von Sachanlagen höher als bei Geldanlagen, wird Kapital vorzugsweise in Sachkapital investiert. Über die Zinspolitik nimmt in der Eurozone die europäische Zentralbank erheblichen Einfluss auf die Rendite (Zinsen) von Geldanlagen.

Für Deutschland spielt die Nachfrage aus dem Ausland eine ganz wichtige Rolle für die Auslastung der inländischen Produktionskapazitäten. Diese kann, wie die Binnennachfrage, ebenfalls Schwankungen unterliegen und sich über die Nachfrage nach deutschen Exportgütern auf die wirtschaftliche Tätigkeit der exportorientierten Industrien in Deutschland auswirken. Die Schwankungen in der wirtschaftlichen Tätigkeit beeinflussen wiederum das Beschäftigungsniveau und auch die Entwicklung der Löhne und Gehälter dieser Industrien.

Ist ein steigendes BIP zwingend mit Wachstum verbunden?
Das hängt entscheidend davon ab, was man unter „Wachstum“ versteht! Ist Wachstum als Wachstum des BIP von einer Periode gegenüber einer vorhergehenden Periode definiert, ist der Zusammenhang per definitione zwingend. Der Begriff Wachstum wird jedoch im allgemeinen Sprachgebrauch oft mit der natürlichen Umwelt verbunden – insbesondere dem Wachsen von Pflanzen. In der Natur kann nur wachsen, was eine ausreichende und stetige Zufuhr von Energie und Nährstoffen erhält. Dabei ist der begrenzende Faktor bereits angezeigt.

Übertragen auf die Ökonomie heißt das, dass wirtschaftliches Wachstum ganz erheblich von den in der Volkswirtschaft eingesetzten Ressourcen (Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital, Wissen und technischer Fortschritt, aber auch natürliche Ressourcen und soziale Faktoren) abhängt. Die natürlichen Ressourcen etwa sind jedoch begrenzt – vor allem die Bodenschätze und die Regenerationsfähigkeit der natürlichen Umwelt. Insoweit stellt sich die  Frage, ob das wirtschaftliche Wachstum die natürlichen Lebens- und Wirtschaftsgrundlagen erhält und insofern nachhaltig ist. Ein steigendes BIP kann kurzfristig wirtschaftliches Wachstum anzeigen. Soweit diesem jedoch ein Abbau von natürlichen Ressourcen und eine Schädigung der natürlichen Umwelt entgegensteht, kann nicht von nachhaltigem Wachstum gesprochen werden.

Quelle: https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Newsletter/Nachhaltigkeit/9-KW7/1-Texbausteine/Bundesregierung-und-N/1-reihe-nachhaltigkeitsindikatoren.html?nn=1321916

Ökofaire Beschaffung

Kurze Einleitung zum Fairen Handel und der Siegel(-problematik)

  • Seit den 1970er Jahren in Deutschland, Kirchlicher Ursprung, gegen freie Marktwirtschaft
  • 1970: Aus Kritik an der offiziellen Entwicklungspolitik organisieren die kirchlichen Jugendverbände aej (Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland e.V.) und BDKJ (Bund der Deutschen Katholischen Jugend) Hungermärsche in 70 Städten der Bundesrepublik und mobilisieren 30.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
  • 1971: Daraus entsteht die Bewegung „Aktion Dritte Welt Handel“. Die Ware ist Gegenstand politischen Lernens: „Lernen durch Handeln“.
  • Weltläden bilden sich (Arbeitsgemeinschaft der 3. Welt-Läden), Gründung der GEPA 1975 (Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt) und El Puente 1972
  • Ziele:
    Teilhabe und Armutsbekämpfung von benachteiligten Produzenten, Gleichberechtigung von Frauen
  • Wie?:
    Garantierte Mindestpreise (unabhängig von Schwankungen auf dem Weltmarkt)
    Fairtrade-Prämie (zusätzliche Gelder, die für Gemeinschaftsprojekte eingesetzt werden)
    Langfristige Handelsbeziehungen
    z.T. ökologische Kriterien (fair ist nicht zwingend gleich bio sowie bio nicht automatisch fair). 2014: 80% der fair gehandelten Lebensmittel waren bio-zertifiziert
  • Kontrolle durch FLO-CERT (Fairtrade-Labelling- Organization)
  • GEPA: direkte, lange Beziehungen mit Produzenten, ¾ der Produkte auch biozertifiziert, weitestgehend ohne Fairtrade-Siegel (macht auf Mehrleistungen aufmerksam, integriert Produzenten, die sich keine Zertifizierung leisten können)
  • FAIRTRADE bzw. TransFair (seit 1992): Das Fairtrade Siegel wird in Deutschland von TransFair vergeben.  Als unabhängige Nationale Fairtrade Organisation (NFO) handelt TransFair nicht selbst mit Waren, sondern vergibt an Importeure, Verarbeitungsbetriebe und Händler, die die Standards des Fairen Handels erfüllen, das Recht, das Fairtrade-Siegel zu nutzen. Rund 3.000 Produkte, davon auch 80% biozertifiziert
  • UTZ: weltweit größtes Zertifizierungsprogramm für Kakao, Fokus auf nachhaltigem Anbau, weniger anspruchsvolle Kriterien
  • NATURLAND: seit 1982, Ökolandbau und Naturschutz, ökologisch und fair, 600 Produkte, transparent
  • RAINFOREST ALIANCE: Vordergründiges Ziel die biologische Vielfalt in den Tropen zu erhalten. Soziale Aspekte, aber keine Mindestpreise oder Prämien
  • HAND IN HAND: seit 1988, etwa 100 Produkte, vereint bio und fair
  • Mischprodukte:
    Produkte: Produkte, die sich aus verschiedenen Zutaten zusammensetzen wie bspw. Schokolade (bspw. Vollmilchpulver), Müsli, Bonbons
    Hintergrund: Größere Fairtrade-Produktpalette und größere Absatzmöglichkeiten für Produzenten
    Regelung: Mindestanteil von 20% bei Fairtrade, variiert je nach Siegel (z.B. El Puente 50%), alles was es als Fairtrade-Zutat gibt, muss auch nach Fairtrade Standards gehandelt worden sein
  • Mengenausgleich:
    Produkte: Kakao, Tee, Zucker und Saft dürfen im Verarbeitungsprozess mit konventionellen Rohstoffen verarbeitet werden
    Hintergrund: Fehlende eigene Verarbeitungsanlagen, Ohne Mengenausgleich müssten beispielsweise Kakaobauern vom fairen Handel ausgeschlossen werden
    Beispiel: Schokoladenherstellung, Orangensaft
  • Zusammenarbeit mit Discountern
    Hohe Absatzmöglichkeiten für Produzentengruppen
    Keine „niedrigschwelligeren“ Fairtrade-Standards für Discounter
    Jeder Supermarkt darf ohne das Einverständnis von TransFair bereits freigegeben fair gehandelte Waren von einer Fairtrade-lizenzierten Firma beziehen und zum Verkauf anbieten
    Kritik: Manche Discounter gestehen selbst ihren Mitarbeitern in den deutschen Filialen nicht einmal die ILO-Kernarbeitsnormen wie z.B. Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft zu. Discounter halten die Preise niedrig

Sustainable Shopping

Einkaufen — eine unserer regelmäßigsten Beschäftigungen.
Hauptsächlich konsumieren wir Lebensmittel, Haushaltswaren
und Kleidung, welche im Laufe der Globalisierung
immer weiter transportiert werden, deren Herstellung
heutzutage so weit vom Verbraucher entfernt ist wie nie
zuvor. Habt ihr euch darüber schon einmal Gedanken gemacht?
Wenn nicht, dann ist jetzt der Zeitpunkt gekommen,
dies zu tun.

Für Kirchengemeinden, kirchliche Einrichtungen und Verwaltungen gibt es das Angebot der Landeskirche Hannovers bei der Umstellung auf eine nachhaltige Beschaffung zu unterstützen.

Informationen, Beratung und Ünterstützung bekommen Sie im Haus kirchlicher Dienste.

Siegel-App, praktische Tipps

  • Regionale und saisonale Küche (keine eindeutigen Siegel) Informationen über Herkunftsländer
  • Unverpackt einkaufen (Laden in Hannover), als Verbraucher aktiv werden
  • Siegel-App (NABU) ca. 55 Logos
  • Materialausleihe beim KED (z.B. Faire Sportbälle, Weltpuzzle, Ökologischer Fußabdruck)
  • Besichtigung bei einem Importeur (El Puente bspw. Nordstemmen)
  • Online zu kaufen: u.a. El Puente, (GEPA), Süd-Nord-Kontor, Weltläden, Discounter (Lidl, Edeka etc.)

Agenda 21

Die UN-Konferenz "Umwelt und Entwicklung" 1992 in Rio (Brasilien) hat für das Thema Nachhaltigkeit mit der Verabschiedung der Agenda 21 wichtige Impulse gebracht. Gegenwärtig gibt es viele kommunen, die sich vielfältig und engagiert mit dem Thema befassen. Der folgende Artikel liefert einen Rückblick und beschreibt die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in diesem Bereich:

Den Zusammenhang zwischen dem Lebensstil in Europa und Lebensbedingungen in Entwicklungsländern entdecken
Die Idee den kommunalen Raum sowohl ökologisch als sozial verträglich hier wie global zu gestalten war in den 90iger Jahren im kirchlichen Kontext nicht so selbstverständlich. Ganz besonders schwierig war es zunächst, die Zusammenhänge zwischen dem Lebensstil in Europa und den Lebensbedingungen in Afrika, Lateinamerika und Asien deutlich zu machen. Dass die Plantagenarbeiter mit dem Hungerlohn, den sie für das Pflücken des Kaffees, der später auf unserem Frühstückstisch landet, nicht leben können, ließ sich an diesem Einzelfall noch nachvollziehbar vorführen.
 
„Aber was hat die Frau in Kenia davon, wenn ich statt ein Wannenbad zu nehmen, mich nur noch mit dem Waschlappen wasche?“, um mal einen Seminarteilnehmer zu zitieren. „ Und wenn ich meinen Lebensalltag Ressourcen schonender gestalte, wird die Frau Kenia auch etwas davon haben?“
Den Nachweis der globalen Zusammenhänge zu führen, die Belege für die These zu liefern, dass die Erde nicht die Übertragung unseres Lebensstils in Europa verkraften wird und eine Veränderung nur eine Umverteilung von Nord nach Süd sein kann, war die Hauptaufgabe der Vortragsarbeit.
 
Heute ereifern sich meine Kinder in der Diskussion mit ihrem Großvater, dass es doch selbstverständlich sein muss, eine globale Umsteuerung mit Sonnenenergie durchzusetzen. Der Satz „und denk an die Eisbären beim Duschen!“ ist selbstverständlich geworden.
Die Schulbücher an einem ganz normalen Gymnasium 2011 thematisieren die Globalisierung mit ihrem Für und Wieder inklusive Welthandel und Fairtrade im Fach Erdkunde und im Leistungskurs Englisch in Jahrgang 11.
Das Wissen um die Zusammenhänge zwischen dem Konsum hier und den Lebensbedingungen im Süden hat sich gerade bei den jungen Leuten enorm erweitert. Deshalb machen sie nicht alles so, wie ich es mir wünschen würde aber das steht auf einem anderen Blatt und schmälert nicht das gute Ergebnis von Bildungsarbeit in 20 Jahren der Rio-Nacharbeit.
 
Der Rio-Prozess bringt die Ökologie- und die Dritte-Welt-Bewegung zueinander und zu gemeinsamen Projekten
Eine Herausforderung lag 1992 in der notwendigen Kooperation zwischen ökologisch engagierten Initiativen und den Dritte-Welt-Aktiven. Von den Zielvorstellungen her war dies nicht ganz leicht. Jedes auf der Südhalbkugel angebaute Produkt unseres täglichen Bedarfs (Kaffee, Tee, Kakao, Baumwolle, Schnittblumen…) schließt erhebliche Transportwege und damit CO2-Emissionen mit ein. Das belastet das Klima und kann nicht im Interesse von ökologisch engagierten Menschen sein. Verzicht in diesem Bereich wäre folgerichtig und stattdessen den Schwerpunkt auf regionale Produktion und Vermarktung setzen.
Anders herum gedacht nützt es aber den Menschen im Süden nicht, wenn wir keinen Kaffee mehr trinken. Zudem muss das, was ökologisch „sauber“ hergestellt wurde noch keine guten Arbeitsbedingungen miteinschließen.
 
Fair gehandelte Produkte waren damals im Bioladen durchaus keine Selbstverständlichkeit. Das hing nicht nur damit zusammen, dass  dieses Käufermilieu die Menschen in Entwicklungsländern weniger im Blick hatte. Es hatte auch damit zu tun, dass sich die Produzenten im Süden nicht ohne weiteres ein aufwändiges Siegelungsverfahren leisten konnten.
Erst im Laufe der Diskussion und in der Arbeit mit den Impulsen der Rio-Konferenz wurde deutlich, dass das Problem eines zu hohen Ressourcenverbrauchs sowie CO2-Ausstosses (auch) ein Verteilungsproblem war und  ist. Der Begriff Verteilungsgerechtigkeit kam im Zuge dieser Diskussionen auf.
 
Verteilungsgerechtigkeit hat einen Umwelt- und Entwicklungsaspekt. Im Süden braucht es ein (differenziert) gemäßigtes „Mehr“ im Norden natürlich ein drastisches „Weniger“. Das ist auch eine ethische bzw. in der Umsetzung eine moralische Frage und zwar vom Umgang mit der Schöpfung wie auch den gerechter verteilten Lebensmöglichkeiten.
 
Der Aspekt der Verteilungsgerechtigkeit gewinnt zunehmend auch in Deutschland an Gewicht
Menschen mit geringem Einkommen haben andere Probleme, als über einen Klima verträglichen Lebensstil nachzudenken. Bewusstseinsbildung wird hier an Grenzen stoßen.
Es ist klar, dass man einen Kleinbauern in einer Region Afrikas nicht auffordern kann, um das Weltklima zu schützen, künftig kein Brennholz mehr zu schlagen, wenn er keine anderen Energieträger zur Verfügung hat. Ebenso wird sich ein Geringverdiener bei uns kaum um ein klimaneutrales Einkaufsverhalten bemühen. Der Alltag ist Mühe genug.
 
In der Kooperation mit KollegInnen im Bereich Diakonischer Einrichtungen und Beratungsstellen ist es mir mehrfach vor Augen geführt worden: das Engagement für die Marginalisierten in unserer Gesellschaft schließt nicht Sensibilität gegenüber globaler Verteilungsgerechtigkeit mit ein – auch wenn von außen betrachtet und langfristig gedacht ein gemeinsames Engagement für die jeweils marginalisierten Gruppen Sinn machen würde.
Hier wird es noch kreative Kooperationen zwischen dem entwicklungspolitischen Engagement und der sozialen Arbeit in Deutschland geben müssen, die die berühmten Win-Win-Situationen ausmachen.
 
Die Arbeit im Kontext des Rio-Prozesses lässt Kirchengemeinden politisch aktiv werden
Neben dem Entdecken des Zusammenhangs zwischen Lebensstil und Klimawandel, zwischen Konsumgewohnheiten im Norden und Produktionsbedingungen im Süden gab es eine weitere wichtige Erfahrung in der Arbeit der Beschlüsse von Rio. Die Beteiligung von NGOs bei den weltweiten Konferenzen und die damit eingehergehende Lobbyarbeit der NGOs vor, während und nach den Konferenzen wurde auch zum Feld der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit bei uns.
In zahlreichen Gesprächen ging es darum, den Vertretern von NGOs aus Afrika, Lateinamerika und Asien nahe zu legen, mit gezielter Mobilisierung der Öffentlichkeit Einfluss auf die Politik ihrer Regierung zu nehmen.  Parallel dazu setzten sich Gruppen bei unseren Regierungsvertretern für die Anliegen der Partner im Süden ein. Damit  wurde bei uns Lobbyarbeit gegenüber der Regierung nicht mehr nur das Feld für Pharmakonzerne und Vertreter der Atomindustrie.
 
Im Zusammenhang von erlassjahr.de konnten Kirchengemeinden und ganze Landeskirchen ermuntert werden, Postkarten an die eigene Regierung zu verschicken, um damit der Forderung nach einem Schuldenerlass für Entwicklungsländer sowie der Einführung eines Insolvenzverfahrens für Staaten Nachdruck zu verleihen. Kirchengemeinden luden die Bundestagsabgeordneten aus ihrem Wahlkreis zu Diskussionsveranstaltungen ein.  
 
Bildungsarbeit führt nicht nur politisches Engagement vor sondern lädt direkt zum Mitmachen ein.

Leitbegriffe und politische Beschlüsse
Der Begriff Green Economy enthält einen Mix aus Leitideen, Forderungen und Prozessbeschreibungen hin zu einer ökologischen Umgestaltung der Weltwirtschaft (Towards a Green Economy: Pathways to Sustainable Development and Poverty Eradication, Green Economy –Report, UNEP, 2011). Das ist einfach gut. Niemand kann ernsthaft dagegen sein.
Das verhält sich ähnlich wie bei der Vereinbarung, die jährliche Entwicklungshilfe bis 2015 auf 0,7 Prozent des BIP anzuheben , damit die MDGs erreicht werden können. Sowohl die ökologische Umgestaltung der Weltwirtschaft als auch die Umsetzung der MDGs sind absolut sinnvoll und notwendig. Der Erfolg lässt bekannter Maßen noch auf sich warten.
 
Politisch innovative Beschlüsse scheinen einer anderen Logik zu folgen. Sie brauchen ein Ereignis wie Fukushima – und der Ausstiegsbeschluss ist da. Das legt nach meiner Erfahrung eine gewisse Nüchternheit im Umgang mit Leitbegriffen nahe. Die Bedeutung des Diskurses lässt sich erst im Nachhinein ermessen.
 
Die Rio-Konferenz  1992 hat  neue Handlungsmöglichkeiten für die Zivilgesellschaft eröffnet
Im  Verband entwicklungspolitischer Gruppen in Niedersachsen diskutierten wir 1991 die weitreichende ökologische Überlegung  eines Umweltplans in den Niederlanden. Für den individuellen Bereich wurde berechnet, wie viel Ressourcen der einzelne verbrauchen durfte. Beispielsweise Langstreckenflüge: einmal von Hannover nach Rio und zurück, das langte für 30 Jahre. Diese operationale Ausrichtung beeindruckte mich persönlich sehr. Denn es ging darum, „die Welt zu retten“ im Rahmen eines globalen Konzepts. Nebenbei bemerkt: trotz sinnvoller und attraktiver beruflicher Angebote fiel es mir nicht schwer, mich daran zu halten.
 
Deutlich beeinflusst hat mich ebenfalls 1992 die Aufbruchsstimmung, mit der die NGO Vertreter aus Rio zurückkamen und uns berichteten. Es waren zwei Aspekte, die mich darin besonders ansprachen. Das war zunächst die Beteiligung und fachliche Akzeptanz der NGOs, die bei der Rückkehr in Deutschland institutionell in das mit Herrn Töpfer in Verbindung stehenden Forum Umwelt und Entwicklung mündete.
Das hieß, neben dem Demonstrieren einer anderen Position hatten zivilgesellschaftlich aktive Gruppen die Chance, direkt mit Regierungsvertretern und - was nach meiner Erfahrung viel wichtiger ist – mit den Beamten aus dem Regierungsapparat und den Ministerien zu diskutieren.
 
Heute lese ich in einem öffentlich zugänglichen Papier des Bundesumweltministeriums, dass Deutschland seine Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent reduzieren muss auf der Basis von 1990. Wohlgemerkt, das ist kein Forderungspapier einer Agenda 21-Gruppe. Das hätten wir uns 1992 so nicht vorstellen können.
 
Neben der Beteiligung gesellschaftlich engagierter Gruppen fand ich die Struktur der Beschlüsse von Rio attraktiv. Eine positive Umverteilung der Lebensmöglichkeiten sollte erreicht werden, so dass künftige Generationen ebenfalls gut leben können und die Menschen auf der Südhalbkugel einen besseren Lebensstandard bekommen würden.
 
Diese Umverteilungsprozesse sollten  nicht einfach quasi durch eine Weltdiktatur gewaltsam durchgesetzt werden. Die am Erdgipfel beteiligten Regierungen unterzeichneten diese Idee vielmehr als Ergebnis der Konferenz. Dazu gehörte es auch Reduktionsziele  im eigenen Land zu formulieren. In Deutschland sollte bis 2005 eine Absenkung der CO2-Emissionen um 25 Prozent auf der Datenbasis von 1990 erreicht werden.
 
Die Beteiligungsform für die Zivilgesellschaft, die sich nicht im Protestieren erschöpft sondern sich für  eine operationale Umsetzung weit reichender Ideen im eigenen Land engagiert, hat für meine Arbeit schon deutliche Impulse gegeben.
In Niedersachsen hatte die Landesregierung 1997 einen runden Tisch eingerichtet, um die Beschlüsse der Bundesregierung  umzusetzen. Als Vertreterin der evangelischen Kirche saß ich  mit Vertretern des Transportunternehmerverbandes, von VW, des Wirtschaftsministeriums, des Umweltministeriums, des BUND  in der Arbeitsgruppe Verkehr. Wir hatten als Kirche die Überlegung zu einer Parkplatzbewirtschaftung, um damit ein „Zeichen zu setzen“, dass die Fahrt mit dem PKW zum Gottesdienst oder kirchlichen Veranstaltungen gut bedacht sein will und nicht selbstverständlich sein darf. So eine Selbstverpflichtung durfte nicht ins Abschlusspapier, weil es für VW als Abwertung des Autos nicht tragbar war.
 
Bewegt man sich in einem regional überschaubaren Zusammenhang kann man Beschlüsse und Erklärungen nur mit und nicht gegen die Beteiligten fassen. Mein persönliches Fazit war, zukünftig vorher zu eruieren, wo die Schmerzgrenzen der Akteure liegen, wenn es zum Konsens kommen soll. Manchmal hieß das schlicht, ein Projekt mit anderen Akteuren und ggf. anderen Zielen anzusteuern.
Die Agenda 21 als gewissermaßen lokale Ebene der weit reichenden und doch zugleich mit operational definierten Ergebnissen versehenen Beschlüsse bietet viele Möglichkeiten, die Leitideen einer nachhaltigen Entwicklung in einem überschaubaren Rahmen in die Tat umzusetzen. Voraussetzung ist, dass sich Akteure aus verschiedenen Institutionen und Zusammenhängen zusammenfinden und sich operational formulierte Ziele vornehmen. Die lassen sich leichter überprüfen als der schlichte Satz, die Welt gerechter gestalten zu wollen.

Rebecca Neumann
Kreuzkirchhof 1–3
30159 Hannover
von Dassel
Maureen von Dassel

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